Forschungsschwerpunkte
JARA Seniorprofessur - Univ.-Prof. Dr. Zilles
Ziel der Forschung von Prof. Zilles und seiner Arbeitsgruppe in Aachen und im Forschungszentrum Jülich ist es, die Struktur der Hirnrinde durch Integration molekularer Befunde zur regionalen Expression von Transmitterrezeptoren, regional-spezifischer zellullärer Architektonik (Cytoarchitektonik) und struktureller Konnektivität (Connectom) zu verstehen und mit funktionellen Befunden aus der Bildgebung mit Magnet-Resonanz-Tomographie in Beziehung zu setzen. Diese Untersuchungen werden an neurologisch und psychiatrisch nicht-erkrankten Personen, aber auch an Patienten sowie an Gehirnen von Körperspendern durchgeführt. Ergänzt werden sie durch Studien an genetisch veränderten Labortieren, die Modelle menschlicher Erkrankungen wie der Alzheimer’schen oder Parkinson’schen Erkrankung darstellen.
Insbesondere die Untersuchungen zur Rezeptorexpression in definierten funktionellen Systemen des Menschen stellen inzwischen Pionierarbeiten zur molekularen Hirnkartierung („Brain Mapping“) dar, da Rezeptoren Schlüsselmoleküle der Signalübertragung im Nervensystem sind und häufig Zielstrukturen für die Pharmakotherapie psychiatrischer und neurologischer Erkrankungen darstellen. Jedes Hirngebiet und Nervenzelle kann sowohl hemmend, als auch erregend und modulatorisch wirksame Rezeptoren bilden. Die Konzentrationen der verschiedenen Rezeptoren variieren zwischen den Rezeptortypen und Hirnregionen um Größenordnungen. Da alle Rezeptortypen gemeinsam an der Signalübertragung mitwirken, vertritt Prof. Zilles die Arbeitshypothese, dass die Balance zwischen den Konzentrationen der verschiedenen Rezeptoren in einer Hirnregion (“Receptor Fingerprint”) von entscheidender Bedeutung für die Funktion ist. Dies belegen die unterschiedlichen “Receptor Fingerprints” zwischen sensorischen, motorischen oder multimodalen assoziativen Hirnregionen. Bei Erkrankungen wie Epilepsie, hepatischer Encephalopathie, Alzheimer’scher oder Parkinson’scher Erkrankung, sind charakteristische Veränderungen der“Receptor Fingerprints” zu finden. Um die Mechanismen hinter den pathologischen Veränderungen im menschlichen Gehirn zu verstehen, werden “Receptor Fingerprints” in transgenen Tiermodellen menschlicher Erkrankungen und konditionalen Rezeptor-knock-out Tieren untersucht und in Computersimulation der möglichen Rezeptorinteraktionen analysiert.
Gegenwärtig arbeitet Prof.-Zilles außerdem an der Aufklärung der Verschaltungsstruktur (Connectom) des menschlichen Gehirns mit einer Methode, die eine bisher nicht erreichte räumliche Auflösung bietet.
Sektion Neurpsychologie - Univ.-Prof. Dr. Habel
Die Sektion „Neuropsychologie" erforscht und charakterisiert Geschlechtsunterschiede bei Gesunden und Patientinnen und Patienten mit psychischen Störungen. Der Forschungsschwerpunkt liegt auf der Verarbeitung von Emotionen und den Mechanismen der sozialen Kognition wie auch der Aggression bei Gesunden und Patientinnen und Patienten mit psychischen Störungen, insbesondere der Schizophrenie, Depression, Angst, Transsexualität und Autismus.
Ziel ist es, emotionale und kognitive Prozesse, vornehmlich mit Hilfe von funktionellen und strukturellen Bildgebungsverfahren, psychophysiologischen Messungen und neuropsychologischen Testverfahren die neuropsychobiologischen Korrelate von Emotionen und Kognitionen genauer zu charakterisieren und multimodal zu erfassen. Hierfür kommen visuelle, olfaktorische, nozizeptive und akustische Stimuli zum Einsatz. Inhaltliche und methodische Einflussfaktoren (u. a. Alter, genetische Disposition, Hormon- bzw. Kultureinflüsse, Qualitätssicherung) werden berücksichtigt. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt in der funktionell bildgebenden Evaluation therapeutischer Interventionen: Die Erkrankungen werden geschlechtsspezifisch auf ihre zerebralen Dysfunktionen und Therapiemöglichkeiten im Rahmen psychotherapeutischer, experimenteller und somatischer Interventionen (Psychopharmaka, Tiefe Hirnstimulation, transkranielle Gleichstromstimulation) analysiert.
Prof. Ute Habel ist unter anderem Leiterin des Forschungsprojekts Gender Gewaltkonzept - "Genderspezifische Erfassung und Versorgung von Patientinnen und Patienten nach Gewalterfahrung" an der Uniklinik RWTH Aachen, das als Modellvorhaben von der Europäischen Union und dem Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert wird.
Funktion kortikaler Schaltkreise - Univ.-Prof. Dr. Feldmeyer
Die Arbeitsgruppe "Funktion kortikaler Schaltkreise" beschäftigt sich mit strukturellen und funktionellen Aspekten synaptischer Transmission und ihrer Modulation auf der Ebene von neuronalen Netzwerken, einzelnen Neuronen und Synapsen des Neokortex während der Entwicklung und im adulten Zustand. Die Gruppe arbeitet sowohl an gesunden Tieren als auch an Mausmodellen für neurologische und psychiatrische Erkrankungen. In akuten Hirnschnitten werden individuelle neuronale Schaltkreise in einer kortikalen Kolumne - der Funktionseinheit des Neokortex - mit elektrophysiologischen, immunhistochemischen und morphologischen Techniken auf der Ebene identifizierter, synaptisch gekoppelter Nervenzelltypen untersucht. Es ist bis heute noch nicht im Detail geklärt, wie die verschiedenen exzitatorischen und inhibitorischen Neurone im Neokortex verschaltet sind. Langzeitziel ist daher, diese strukturelle und funktionelle Organisation von Neuronen und deren synaptischer Verbindungen in verschiedenen Arealen des Neokortex darzustellen und somit auch die veränderten Strukturen und Funktionen neuronaler Schaltkreise bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen zu verstehen. Die gewonnenen Daten werden in Datenbanken zum Aufbau verschiedener Nervenzelltypen genutzt bzw. zur Simulation neuronaler Netzwerke eingesetzt.
Des Weiteren beschäftigt sich die Arbeitsgruppe mit der Modulation von neuronaler Aktivität durch Transmitter wie etwa Acetylcholin, Adenosin, Noradrenalin oder Dopamin. Diese Botenstoffe werden nicht konstant freigesetzt, sondern zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Tag-Nacht-Rhythmus bzw. bei unterschiedlichen Verhaltensweisen (etwa Erwachen, Aufmerksamkeit, Er- und Übermüdung). Die Arbeitsgruppe untersucht, in welcher Art und Weise die Aktivität verschiedener Nervenzelltypen durch die Botenstoffe beeinflusst wird. Ein weiterer Fokus liegt auf der frühen, postnatalen Entwicklung neuronaler Schaltkreise. Untersucht wird, inwieweit transiente und persistierende Nervenzellen in sich entwickelnden neuronalen Schaltkreisen eingebunden sind und welche Rolle sie bei der Etablierung des gesamten neuronalen Netzwerks haben.
Struktur kortikaler Funktionseinheiten - Univ.-Prof. Dr. Lübke
Die Arbeitsgruppe "Struktur kortikaler Funktionseinheiten" beschäftigt sich mit strukturellen und funktionellen Aspekten synaptischer Transmission und Plastizität auf der Ebene von neuronalen Netzwerken, einzelnen Neuronen, Synapsen und Rezeptoren im adulten, sich entwickelnden und pathologisch veränderten Gehirn am Beispiel des Neocortex und Hippocampus. Der Forschungsschwerpunkt liegt dabei auf der strukturellen Organisation und quantitativen Analyse verschiedener zentraler Synapsen, den Schlüsselelementen der Neurotransmission und synaptischen Plastizität. Mit Hilfe von computergestützten, dreidimensionalen Rekonstruktionen - basierend auf seriellen Ultradünnschnitten - sowie digitalen, elektronenmikroskopischen Bildserien soll die subzelluläre Struktur einzelner Synapsen dargestellt, quantifiziert und mit anderen verglichen werden. Diese Strukturmodelle sollen dazu beitragen, die Funktionsweise unterschiedlicher, zentraler Synapsen im normalen und pathologisch veränderten Gehirn zu erklären. Ein weiterer Aspekt der Forschungsarbeiten befasst sich mit der Rolle von Astrozyten - den nicht-neuronalen Zellen des Gehirns - an synaptischer Transmission und der Modulation synaptischer Plastizität.
Neurotransmitterrezeptoren regulieren auf molekularer Ebene synaptische Transmission und modulieren synaptische Lang- und Kurzzeitplastizität. Mit Hilfe von hochsensitiven Postimmunogoldverfahren wird die Expression, Dichte und Verteilung verschiedener Neurotransmitterrezeptoren sowie ihre Untereinheiten auf Ultradünnschnitten und sogenannten „Freeze Fracture Replica Präparationen“ dargestellt und quantifiziert. Diese individuellen „Dichtekarten“ verschiedener Neurotransmitterrezeptoren sollen dazu beitragen, die Funktionsweise von Neurotransmitterrezeptoren im normalen und pathologisch veränderten Gehirn zu entschlüsseln. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt beschäftigt sich mit der Rolle transienter, nur vorübergehend existierender Neurone des Neocortex und Hippocampus, den sogenannten Cajal-Retzius Zellen, und deren Rolle beim Etablieren und Aufrechterhalten eines frühen kortikalen und hippocampalen Netzwerks.
Experimentelle Verhaltenpsychologie - Univ.-Prof. Dr. Mathiak
Im Lehr- und Forschungsgebiet „Experimentelle Verhaltenspsychobiologie“ werden neurobiologische Methoden auf klinisch-psychiatrische Fragestellungen angewendet. Mit Hilfe der Magnetenzephalographie (MEG) und der funktionellen Kernspintomographie (fMRT) werden sowohl die zerebralen Korrelate geno- und phänotypischer Charakteristika psychiatrischer Krankheitsbilder als auch die Effekte pharmakologischer Interventionen auf Hirnfunktionen dokumentiert. Diese Beobachtung ist unabhängig von Gegenregulationseffekten auf der Verhaltensebene. Diese Forschungsansätze sollen zu einer an den neurobiologischen Störungsmustern (Endophänotypen) orientierten Krankheitsbeschreibung und -behandlung beitragen. Das Gebiet bietet ein reiches Angebot an methodischen und klinischen Zugängen zur Erforschung des Zentralen Nervensystems. Das Lehr- und Forschungsgebiet ist eng an die anderen Kliniken und Institute angebunden, die am neurowissenschaftlichen Schwerpunkt partizipieren, da neurowissenschaftliche Grundlagenfragen, klinische Bildgebung und allgemeine endokrinologische Zusammenhänge betrachtet werden.
Experimentelle Psychopathologie - Univ.-Prof. Dr. Vernaleken
Im Rahmen des Lehr- und Forschungsgebietes „Experimentelle Psychopathologie“ werden für klinisch beobachtbare Pathologien sowie für physiologische Verhaltens- und Entscheidungsmuster relevante biologische Korrelate beschrieben und validiert. Dabei handelt es sich um klinisch-pathologische oder relevante lebenspraktische Fragestellungen. In klinischer Hinsicht geht es darum, neurobiologische Vorgänge bei seelischen Erkrankungen (insbesondere bei der Schizophrenie, Depression, Tourette-Erkrankung und den Suchterkrankungen) besser zu verstehen. Weiterhin sollen bisher unklare Mechanismen psychopharmakologischer oder auch interventioneller Therapieverfahren aufgeklärt werden. Aber auch normalpsychische Vorgänge, insbesondere deren Bedeutung für die Erklärung aggressiver Verhaltensformen wie auch wirtschaftswissenschaftlicher und soziologischer Zusammenhänge, sind Inhalte dieses Lehr- und Forschungsgebiets. Auf methodischer Ebene werden primär die Möglichkeiten der molekularen Bildgebung (hier insbesondere der Positronen-Emissionstomographie, PET) angewandt. Bei entsprechenden Fragestellungen werden aber auch multimodale Ansätze verfolgt (z.B. cMRT, fMRT oder Nahinfrarotspektroskopie). Aufgrund der hohen methodischen Komplexität ist letztlich auch die Weiterentwicklung methodischer Techniken elementarer Bestandteil der Tätigkeiten. Diesbezüglich werden die technologischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten der RWTH Aachen und des Forschungszentrums Jülich innerhalb JARA-BRAIN kombiniert und ergänzt.
Experimentelle Neuropsychiatrie - Univ.-Prof. Dr. G. Gründer
Ziel des Lehr- und Forschungsgebietes „Experimentelle Neuropsychiatrie“ ist das Verständnis der biologischen Grundlagen gesunden menschlichen Verhaltens und deren pathologischer Abweichungen im Rahmen von psychischen Störungen. Zum Studium dieser dynamischen Prozesse werden vor allem funktionelle bildgebende Verfahren, in erster Linie die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) eingesetzt. Methodisch besteht hier die Ergänzung zur funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) und zur Magnetenzephalographie (MEG). Mit Hilfe der PET-Methode ist es möglich, molekulare Strukturen in nanomolaren Stoffmengen zu quantifizieren. Daher zentriert sich die Forschung auf die molekulare Pathophysiologie psychischer Störungen und das Verständnis der Wirkungsweise psychotroper Substanzen. Damit ist das Lehr- und Forschungsgebiet eng eingebettet in den Schwerpunkt „Klinische Neurowissenschaften“ der Medizinischen Fakultät. Neben den Verbindungen zu neurowissenschaftlichen Arbeitsgruppen an der RWTH Aachen und dem Forschungszentrum Jülich bestehen enge wissenschaftliche Kooperationen mit nationalen und internationalen PET-Zentren. Ein zweiter wesentlicher Forschungsschwerpunkt ist die klinische Psychopharmakologie. In Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie werden innovative Neuropsychopharmaka charakterisiert und in klinischen Studien geprüft. Bildgebende Verfahren werden hier eingesetzt, um zum Verständnis der Wirkmechanismen und zur Dosisfindung beizutragen.
JARA BRAIN Translationale Hirnforschung in Psychiatrie und Neurologie - Univ.-Prof. Dr. Derntl
Viele Patienten und Patientinnen mit psychischen Störungen haben Defizite in emotionalen Fähigkeiten und Kompetenzen. Ob Schizophrenie, Depression, bipolare Erkrankung oder Demenz: Häufig ist die zwischenmenschliche Interaktion schwer beeinträchtigt. Bislang standen in der Forschung mehrheitlich einzelne Faktoren dieser Kompetenzbereiche im Fokus des Interesses, während die Untersuchung eines breiteren Spektrums - unter anderem aufgrund der Komplexität der Einschränkungen - selten durchgeführt wurde.
Die Arbeitsgruppe Translationale Hirnforschung in Psychiatrie und Neurologie erforscht und charakterisiert sozio-emotionale Kompetenzen bei Gesunden und Patienten mit psychischen Störungen. Dabei stehen die neuropsychobiologischen Korrelate von emotionalen Fähigkeiten und Stressreaktionen bei Gesunden und psychiatrischen Patienten im Mittelpunkt des Forschungsinteresses.
Klinische Schwerpunkte der Forschung bilden die Erkrankungen Schizophrenie, Depression, Angst und Autismus, die bezüglich zerebraler Dysfunktionen charakterisiert werden. Neue psychologisch-psychotherapeutische Interventionen (EEG-Neurofeedback, Trainingsverfahren) werden genutzt, um die Möglichkeiten der Reorganisation bzw. therapeutischer Effekte auf Verhaltens- und neuronaler Ebene zu untersuchen. Hierbei werden vor allem Methoden der funktionellen und anatomischen Bildgebung, psychophysiologische Messungen und neuropsychologische Testverfahren angewendet. Ein besonderer Schwerpunkt liegt in der Analyse hormoneller und chemosensorischer Einflussfaktoren auf sozio-emotionale Kompetenzen und ihre neuronalen Grundlagen.
Translationale Hirnforschung in Psychiatrie und Neurologie - Univ.-Prof. Dr. Thomas Nickl-Jockschat
Die Beziehungen zwischen Struktur und Funktion des Gehirns stellen eine zentrale Fragestellung der modernen Hirnforschung dar. Durch den Einsatz moderner Untersuchungsmethoden konnte gezeigt werden, dass psychische Erkrankungen, wie etwa Schizophrenien oder Autismus-Spektrum-Störungen, nicht nur mit beeindruckenden Symptomen, sondern auch mit Veränderungen der Hirnstruktur einhergehen.
Die Arbeitsgruppe charakterisiert hirnstrukturelle Auffälligkeiten bei psychischen Erkrankungen und analysiert deren molekulare und umweltassoziierte Ursachen. Darüber hinaus stehen der Verlauf der Erkrankungen und das Verhältnis der strukturellen Veränderungen zu klinischen Symptomen im Fokus des wissenschaftlichen Interesses. Bei den Forschungsprojekten kommt ein breites methodisches Spektrum zum Einsatz. Dazu gehören die Morphometrie, die Diffusions-Tensor-Bildgebung und die funktionelle und strukturelle Konnektivität, das Genetic Imaging, der Einsatz von cytoarchitektonischen Wahrscheinlichkeitskarten und von Tiermodellen sowie Datenbank-gestütztes Arbeiten und Neuroinformatik. Ziel dieses Forschungsansatzes ist ein besseres Verständnis der gesunden Hirnorganisation und der Pathophysiologie psychischer Störungen. Langfristig trägt dies nicht nur zu einer verbesserten Diagnostik und genaueren Prognose von Krankheitsverläufen, sondern auch zu neuen therapeutischen Ansätzen gerade bei Krankheitsbildern mit bislang nur eingeschränkten Behandlungsoptionen bei.
Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Markus Diesmann