Forschungsschwerpunkte

 

Lehrstuhl für Neuroanatomie

Der wissenschaftliche Fokus des Instituts für Neuroanatomie befasst sich mit zellulären und molekularen Mechanismen der Neurodegeneration anhand ausgewählter akuter neuronaler Schädigungen (ischämischer Schlaganfall, Rückenmarkstrauma) und chronisch degenerativer Erkrankungen (Multiple Sklerose, Amyotrophe Lateralsklerose). Für die Untersuchung dieser Fragestellungen verwenden wir verschiedene Tiermodelle (transiente Okklusion der MCAO und mechanische Schädigung des Rückenmarks in der Ratte, Cuprizon- und EAE Mausmodell, hSOD1 Mausmodell) sowie in vitro Zellkulturmodelle, um Zelltyp-spezifische Fragestellungen bearbeiten zu können.

Besonderes Augenmerk liegt auf der Charakterisierung entzündlicher Prozesse und dem hierfür zugrunde liegenden zellulären Cross-talk (Astroglia - Mikroglia - Oligodendroglia) im geschädigten Hirngewebe und im Besonderen auf der Regulation des Inflammasoms, einem Multiproteinkomplex, der an der Bildung pro-inflammatorischer Zytokine beteiligt ist. Weiterhin bearbeiten wir Fragestellungen zum neuroprotektiven Potential von mehrfach ungesättigten Omega-3 Fettsäuren und bestimmten Steroidhormonen (Östrogen, Progesteron) bei diesen neurologischen Störungen.

Ein weiterer Schwerpunkt befasst sich mit der Regulation und Dynamik des sogenannten protektiven M1- und proinflammatorischen M2 Phänotyps der Mikroglia bei den oben aufgeführten neurologischen Erkrankungen.

Kürzlich begonnene neue Forschungsvorhaben beschäftigen sich mit psychiatrischen Forschungsansätzen zu Hirnschädigungen und –veränderungen bei Anorexia nervosa (Kooperation mit der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Dr. Seitz) und Aggressionsverhalten (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Prof. U. Habel).

AG PD Dr. rer. nat. Clarner

Der Untergang von Oligodendrozyten, die Myelinmanufaktur des ZNS, ist charakteristisch für eine Vielzahl neurodegenerativer und neuroinflammatorischer Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose. Wir versuchen frühe Veränderungen im Rahmen der Entstehung von neuen Multiple Sklerose Herden besser zu verstehen. Hierfür benutzen wir verschiedene Multiple Sklerose Tiermodelle, u.a. die toxische Demyelinisierung mit Cuprizone, die experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis (EAE) und fokale Demyelinisierung durch stereotaktische Eingriffe. Durch Affymetrix Studien zur Bestimmung der globalen Genexpression konnten wir zeigen, dass verschiedene Chemokine (CXCL10/IP10, CCL2/MCP1, CCL3/MIP1a) bei früher Demyelinisierung erhöht exprimiert sind. Durch Zuhilfenahme verschiedener Mausmutanten gehen wir nun der Frage nach, wie diese Chemokine in frühe Entzündungskaskaden eingreifen.

Kennzeichnend für Multiple Sklerose Läsionen auf histopathologischer Ebene ist, dass Astrozyten und Mikrogliazellen proliferieren, Oligodendrozyten jedoch absterben. Dieses Phänomen lässt sich bei einem breiten Spektrum neurologischer Erkrankungen, wie etwa bei der Rückenmarksverletzung oder dem Schlaganfall beobachten, und ist keineswegs auf die Multiple Sklerose beschränkt. Funktionsfähige Oligodendrozyten und eine intakte Myelinschicht wiederum werden als Voraussetzung für den Erhalt axonaler Integrität, und somit neuronaler Konnektivität angesehen. Wir nehmen an, dass der selektive Verlust der Oligodendrozyten in Multiple Sklerose Läsionen im Lichte der einzigartigen Eigenschaften dieses Zelltyps betrachtet werden muss. Was ist nun das spezielle an Oligodendrozyten? Im Gegensatz zu allen anderen Zellen des Gehirns synthetisieren Oligodendrozyten zur Aufrechterhaltung der Myelinintegrität sehr große Mengen an (Lipo-) proteinen. Dieser Umstand macht die Zellen besonders gegenüber Störungen sekretorischer Stoffwechselwege anfällig, die im Wesentlichen im endoplasmatischen Retikulum ablaufen. Durch den Einsatz moderner molekular-biologischer und (immun-) histologischer Methoden gehen wir der selektiven Vulnerabilität der Oligodenrozyten auf den Grund.

Ein Teil der Arbeitsgruppe von Dr. Clarner komplementiert unsere Forschungsaktivität mit Fragestellungen des oxidativen Stresses im Rahmen der Demyelinisierung. Mittels verschiedener Zellkultur und tierexperimentellen Ansätzen untersucht er, wie oxidativer Stress und Störungen der Proteinbiosynthese zusammenhängen und sich im Wechselspiel beeinflussen können.

AG Dr. rer. nat. Stefanie Trinh

In einer langjährigen Kooperation mit PD Dr. med. Jochen Seitz (Oberarzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Aachen) untersucht die AG Trinh zelluläre Veränderungen des Gehirns sowie Veränderungen der bakteriellen Besiedlung im Darm in einen Tiermodell der Anorexia Nervosa.

Anorexia nervosa (AN) ist eine Essstörung, die vor allem durch reduzierte Nahrungsaufnahme und extremes Untergewicht charakterisiert ist. Der Beginn der AN findet oft während der Pubertät statt und die Prävalenz ist bei Frauen etwa zehnmal höher als bei Männern. Des Weiteren ist die Zusammensetzung der bakteriellen Besiedlung im Darm (Darmmikrobiom) in Patient*innen mit AN verändert und eine Volumenreduktion des Gehirns ist bekannt, die Rolle der Darm-Hirn-Achse (gut-brain axis) ist jedoch bisher ungeklärt. Das Aktivitäts-basierte Anorexie (ABA)-Modell in jungen, weiblichen Ratten spiegelt viele Aspekte der AN wider. Mithilfe dieses Models untersucht die AG Trinh den Einfluss von Futterreduktion auf das Darmmikrobiom und die Interaktion mit dem Gehirn. Die Studie beinhaltet neben neuroanatomischen und molekularbiologischen Analysen auch Verhaltenstests, die das Angstverhalten der Tiere erforschen sollen. Zusätzlich werden strukturelle Veränderungen im Gehirn, insbesondere in Hinblick auf die zelluläre Anpassung der Astrozyten, erforscht. Hierzu werden in Kooperation mit Prof. Fabian Kießling (Lehrstuhl für Experimentelle Molekulare Bildgebung) longitudinale MRT Messungen in den ABA-Tieren durchgeführt. Um die Funktion der Astrozyten in AN besser zu verstehen, wird zusätzlich ein neu etabliertes in vitro Astrozytenmodell verwendet. Mithilfe dieses Modells sollen funktionelle und zelluläre Effekte untersucht werden, die durch eine Mangelversorgung von Nährstoffen in den Astrozyten entstehen.